Ufos über Machern: Fliegende Untertassen im Muldental
Vor rund 75 Jahren entwickelte der Macherner Landwirt Arthur Sack ein visionäres, kreisrundes Flugzeug, das auf dem Fliegerhorst in Brandis-Waldpolenz getestet wurde. Geflogen ist es allerdings nie und die Baupläne sind bis heute verschwunden.
Rund wie ein Ufo: Landwirt Arthur Sack aus Machern wird in den 1930er- und 40er-Jahren zum Flugzeugbauer und konstruiert den Kreisflügler Sack AS-6/V1. Privatarchiv Jürgen Sack/Repro: Andreas Döring/Montage
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Machern/Brandis
Zwar hat sie nicht die Welt verändert, bemerkenswert war die Erfindung des Macherner Landwirts Arthur Sack (1900–1964) aber allemal. „Schaut, da seht ihr se“, sagt sein Sohn Jürgen, während er durch die vergilbten Seiten des Fotoalbums blättert.
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Alte Schwarz-weiß-Bilder, sorgfältig eingeklebt, sind die verflogenen Zeugnisse einer kleinen Luftfahrt-Sensation, die sich während des Zweiten Weltkrieges im Muldental abspielte.
Abgehobene Idee?
Ein Wandbild, das Jürgen Sack an den Schuppen seines Dreiseitgehöfts in Machern angebracht hat, hält die Erinnerung an die Vergangenheit wach. Die Malerei zeigt ein kreisförmiges Propeller-Flugzeug am Himmel schwebend, einen sogenannten Nurflügler, bei dem Rumpf und Tragflächen fast miteinander verschmelzen. Die Sack AS-6! Eine mehr als ungewöhnliche Eigenentwicklung, die reichlich Stoff für Legenden bietet.
„Der Großvater hat immer geschimpft, wenn der Vadder die Scheune blockiert hat.“ Denn dann tüftelte der Hobby-Segelflieger wieder an seiner Erfindung. In bester Trinklaune hatte der einst mit Kumpels gewettet, er könne ein Flugzeug mit kreisrunder Flügelfläche bauen. Eines mit einmalig aerodynamischen Eigenschaften.
„Das wollte ihm keiner glauben“, sagt Jürgen Sack. Aus Jux schießt die Kneipenrunde ein paar labbrige Bierdeckel wie Frisbee-Scheiben durchs Lokal. Später bekommt das neuartige Gefährt den Spitznamen „fliegender Bierdeckel“ verpasst.
Unbekanntes Flugobjekt
Seine anfängliche Schnapsidee beginnt Arthur Sack revolutionär umzusetzen. 1939 gelingt es ihm mit der Sack AS-1 einen kleinen flugfähigen, wenn auch taumelnden, Prototypen zu entwerfen, den er im Juni auf dem Flugplatz in Leipzig-Mockau bei einem Wettbewerb für Flugmodelle vorstellt. Unter den begeisterten Zuschauern ist auch Ernst Udet (†1941), Generalluftzeugmeister und Vertrauter von Hitlers Luftwaffenchef Herrmann Göring.
Udet animiert Sack, dem der Kriegsdienst erspart bleibt, seine Erfindung weiterzuentwickeln und stellt für den Bau anfänglich etwas Material bereit. Vier weitere Modelle, immer größeren Maßstabs, werden auf dem Familien-Hof entworfen, die bis auf 800 Höhenmeter steigen… und sich ab und an in den Bäumen am Feldrain verfangen.
Das futuristisch anmutende Himmelsphänomen bleibt daher nicht unbemerkt und wird schnell zum Dorfgespräch: Es heißt, der Macherner Landwirt experimentiere mit fliegenden Untertassen.
Jungfernflug missglückt
Als der Krieg schon fast verloren ist, wird Anfang 1944 mithilfe der Mitteldeutschen Motorenwerke mit der Sack AS-6/V1 (Versuchsmuster 1) schließlich das sechste und erste bemannte Versuchsflugzeug aus einem selbst konstruierten Holzskelett fertiggestellt: sechseinhalb Meter lang, fünf Meter Flügelspannweite, 900 Kilogramm schwer. Ein 240 PS-starkes Argus-As-10-Triebwerk bringt den Propeller auf Touren. Fahrgestell, Pilotensitz und -kanzel stammen von einer ausgedienten Messerschmitt Bf 109.
Ehemaliger Airport-Tower in Waldpolenz: Auf dem einstigen Wehrmachtsgelände (und späterem sowjetischen Fliegerhorst) wurden in den 1930er- und 40er-Jahren viele Experimentalflugzeuge getestet.