28.05.2017
Schnell wachsende Galaxien könnten kosmisches Rätsel lösen – zeigen früheste Verschmelzung
24. Mai 2017
Astronomen haben im frühen Universum eine neue Art von Galaxie entdeckt, die bereits weniger als eine Milliarde nach dem Urknall hundert Mal schneller Sterne bildet als unsere Milchstraße. Das könnte einen früheren Befund erklären: eine Population überraschend massereicher Galaxien 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall, deren Existenz solche Super-Produktivität voraussetzt. Die Beobachtungen zeigen außerdem das früheste bekannte Beispiel verschmelzender Galaxien. Die Ergebnisse von Roberto Decarli vom Max-Planck-Institut für Astronomie und seinen Kollegen werden am 25. Mai in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Als eine Gruppe von Astronomen vor ein paar Jahren im frühen Universum eine neue Sorte ungewöhnlich massereicher Galaxien entdeckte, gab deren schiere Größe – mit hunderten von Milliarden Sternen – ein Rätsel auf. Diese Galaxien sind so weit entfernt, dass wir sie sehen, wie sie ganze anderthalb Milliarden Jahre nach dem Urknall aussahen, als das Universum nur rund 10% so alt war wie heute. Wie konnten sie vom Urknall bis dahin, in einer vergleichsweise kurzen Zeit, bereits so viele Sterne bilden?
Jetzt zeigt ein Zufallsfund einer Astronomengruppe unter der Leitung von Roberto Decarli vom Max-Planck-Institut für Astronomie eine mögliche Lösung auf: eine Population superproduktiver Galaxien im frühesten Universum, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.
Roberto Decarli sagt: "Wir waren eigentlich auf der Suche nach etwas anderem gewesen: nach Sternentstehungs-Aktivität in den Wirtsgalaxien von Quasaren. In vier Fällen fanden wir allerdings etwas unerwartetes: Nachbargalaxien der Quasare, die mit großer Geschwindigkeit neue Sterne bildeten, hundert Sonnenmassen pro Jahr". Quasare sind eine kurze Phase der Galaxien-Evolution, angetrieben dadurch, das Materie auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie fällt.
Fabian Walter, Leiter des Beobachtungsprogramms mit dem ALMA-Observatorium in Chile, welches zu der Entdeckung führte, sagt: "Es dürfte kein Zufall sein, dass diese produktiven Galaxien so nahe an hellen Quasaren liegen. Quasare entstehen nach heutigem Verständnis in Regionen des Universums, in denen die Materiedichte deutlich größer ist als im Durchschnitt. Dieselben Bedingungen dürften begünstigen, dass Galaxien besonders schnell neue Sterne bilden."
Ob die neu entdeckten Galaxien tatsächlich die Vorläufer ihrer massereichen späteren Verwandten sein und so das kosmische Rätsel lösen können hängt davon ab, wie häufig sie im Universum sind. Dieser Frage wollen sich Decarli und seine Kollegen mit weiteren Beobachtungen widmen.
Die ALMA-Beobachtungen zeigen außerdem eine Galaxienkonfiguration, bei der es sich offenbar um das früheste bekannte Beispiel für zwei miteinander verschmelzende Galaxien handelt. Neben der Entstehung neuer Sterne sind solche Verschmelzungen ein wichtiger Mechanismen für Galaxienwachstum – und die neuen Beobachtungen geben die ersten direkten Hinweise darauf, dass solche Verschmelzungen bereits in den frühesten Stadien der Galaxienevolution stattgefunden haben, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.
Hintergrundinformationen
Die hier beschriebenen Resultate sind veröffentlicht als Decarli et al., "Rapidly star-forming galaxies adjacent to quasars at z>6" in der Ausgabe vom 25. Mai 2017 der Fachzeitschrift Nature.
- Link zum Fachartikel von Decarli et al.
- Freie read-only-Version mit ReadCube
- Nature "News & Views"-Kommentar zum Artikel von Decarli von Rychard Bouwens
- Pressemitteilung der Carnegie Institution (auf Englisch)
Die beteiligten MPIA-Forscher sind
Roberto Decarli, Fabian Walter, Bram Venemans, Emanuele Farina, Chiara Mazzucchelli und Hans-Walter Rix
in Zusammenarbeit mit
Eduardo Bañados (Carnegie Observatories, Pasadena), Frank Bertoldi (Universität Bonn), Chris Carilli (NRAO und Cavendish Laboratory, Cambridge), Xiaohui Fan (University of Arizona), Dominik Riechers (Cornell University), Michael A. Strauss (Princeton University), Ran Wang (Universität Peking) und Y. Yang (Korea Astronomy and Space Science Institute).
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie