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Am 18. März 2016 ist um 6.10 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) die Forschungsrakete REXUS 19 erfolgreich vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden gestartet. Bereits drei Tage zuvor, am 15. März 2016, flog REXUS 20. Auf beiden Raketen der diesjährigen REXUS-Doppelkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB waren jeweils vier studentische Experimente untergebracht. 45 Studierende von acht Teams aus Deutschland, Schweden, Großbritannien, Spanien und der Schweiz bereiteten ihre Experimente auf Esrange vor und führten sie auch durch. Die beiden Flüge dauerten rund zehn Minuten, wobei die REXUS-19-Rakete eine Flughöhe von 78,3 Kilometern und REXUS 20 von 77,4 Kilometern erreichte. Dabei flogen die sechs Meter langen Raketen jeweils zwei Minuten fast schwerelos. Rund ein Jahr lang hatten sich die acht Teams für die Raketenkampagne vorbereitet und ihre Experimente selbständig entwickelt, gebaut und getestet.
Die deutschen Experimente auf REXUS 19 und 20
Das Team MIRKA2-RX (Mikro-Rückkehrkapsel 2 - REXUS) der Universität Stuttgart entwickelte eine kleine Rückkehrkapsel, die in einem würfelförmigen Kleinstsatelliten (CubeSat) mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern Platz findet. Die Kapsel soll später bei einem echten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre Daten über das Verhalten des Hitzeschildes aus wärmeableitendem Material sammeln und zur Erde übertragen. Beim Flug der REXUS-19-Rakete wurden der Auswurfmechanismus, das dynamische Flugverhalten der Kapsel und die Kontaktaufnahme zu einem kommerziellen Satelliten für die Übertragung der Messdaten zur Bodenstation getestet. Eine besondere Herausforderung für die Studierenden war die Unterbringung der Messsensoren und der gesamten Elektronik in der Mini-Kapsel.
Kommunikation spielt auch für das Team LiME (Link Made Early) der Ernst-Abbé-Hochschule Jena eine wichtige Rolle. Die Studenten entwickelten ein "dynamisches Kommunikationsschema" für Kleinstsatelliten, das durch die Lageinformation des Satelliten gesteuert wird. Nur wenn die leistungsstarke Richtantenne in Richtung der Bodenstation zeigt werden große Datenmengen übertragen. In der Zeit dazwischen kann die kostbare Energie gespart werden. Damit ist eine Kommunikation schon in kürzester Zeit nach der Freisetzung eines Satelliten im Weltraum und ohne Lageregelung möglich. Zum Test unter realistischen Umgebungsbedingungen wurde das Kommunikationsschema in vier Modell-Satelliten implementiert, die während des Raketenflugs ausgeworfen wurden.
Die REXUS-20-Rakete ist für das Team PATHOS (Position-vector Acquisition Through Horizon ObServation) der Universität Würzburg eine ideale Experimentierplattform. Mit der leichten Taumelbewegung der ungesteuerten Rakete während des Fluges simuliert diese einen außer Kontrolle geratenen Satelliten. Die Studierenden aus Würzburg testeten einen Algorithmus, um seine aktuelle Lage im Raum für eine Lagekorrektur zu ermitteln. Mit einer Kamera wurden Bilder aus der Rakete heraus des immer wieder im Blickfeld auftauchenden Horizonts aufgenommen. Somit wurde die Horizontlinie und die Richtung zum Erdmittelpunkt und damit die Lage der Rakete zur Erde berechnet. "Für uns ist das REXUS/BEXUS-Programm eine perfekte Ergänzung zum Studium und eine gute Möglichkeit, Projekterfahrung zu sammeln", sagte Teammitglied Moritz Aicher.
Materialien, die in der bemannten Raumfahrt eingesetzt werden, sollten aus Sicherheitsgründen möglichst schlecht brennbar sein. Das lässt sich aus wissenschaftlichen und technischen Gründen nicht immer umsetzen. Tests zur Entflammbarkeit und Flammenausbreitung sind daher unabdingbar. Die Flammenausbreitung im Weltraum stoppt wegen fehlender, von der Schwerkraft angetriebener Luftströmung - und damit neuer Luftzufuhr - früher als auf der Erde. Tests mit Plexiglas-Proben im Labor haben gezeigt, dass Oberflächen mit einer Struktur die Feuerausbreitung wiederum begünstigen. So war das Ziel des Teams UB-FIRE (University of Bremen FIre safety Research Experiment) der Universität Bremen, die Flammenausbreitung an einer glatten Plexiglas-Oberfläche und an solchen mit unterschiedlichen Strukturen in Schwerelosigkeit zu beobachten und zu klären, ob auch dort die Unterschiede im Brennverhalten bestätigt werden können und - daraus folgend - die üblichen Tests mit glatter Oberfläche möglicherweise nicht ausreichend für die Sicherheitsanalyse sind.
Die europäischen Experimente auf REXUS 19 und 20
Folgende europäische Teams waren bei REXUS 19 und 20 dabei:
Das schwedische SLED-Team (System of free-falling units using LEDs to allow one to track the other) von der KTH Stockholm entwickelte zwei frei fallende Flugkörper zur Messung von Atmosphärendaten. Einer der Flugkörper sendete Lichtsignale, die durch eine Kamera von dem anderen Flugkörper detektiert wurden. Somit konnte die Position der beiden Flugkörper zueinander bestimmt werden.
Zur Vorbereitung einer CubeSat-Mission testete das Team PICARD (Prototype Inflatable Conical Antenna - REXUS Deployment) der Universitäten von Strathclyde und Birmingham (Großbritannien) die Funktionalität einer aufblasbaren kegelförmigen Struktur, auf deren Oberfläche spiralförmig eine Aluminium-Antenne aufgebracht war.
Unter Schwerelosigkeit steigen die Blasen beim Sieden einer Flüssigkeit nicht wie im Kochtopf nach oben, sondern verbleiben an der Heizfläche und werden immer größer. Dadurch kann zwischen Heizer und Flüssigkeit kaum noch ein Wärmeaustausch stattfinden, was sogar zum Durchbrennen des Heizers führen kann. Das Team BOILUS der "Polytechnic University of Catalonia" in Barcelona (Spanien) untersuchte den Einfluss von Ultraschallwellen auf das Ablösen von Siedeblasen von einer Heizerfläche. Hintergrund für die Untersuchungen ist eine mögliche Kontrolle von lokal auftretenden Siedeprozessen kryogener, das heißt bei sehr niedriger Temperatur verflüssigter Treibstoffe. Dies lässt sich selbst in Tanks bei bester Isolierung kaum vermeiden.
Eine Nutzlast biologischer Art hatte das Schweizer Experiment CEMIOS der Hochschule Luzern mit an Bord. Lange Schwerelosigkeit hat für den menschlichen Körper schwerwiegende Auswirkungen, zum Beispiel Muskelschwund und die Verringerung der Knochendichte. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wie die dabei beteiligten Körperzellen die unter Schwerelosigkeit veränderten mechanischen Kräfte wahrnehmen. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass mechanosensitive Ionenkanäle in den Zellmembranen, damit sind porenartige Proteine gemeint, die auf mechanische Kräfte reagieren, dabei eine Rolle spielen können. Das CEMIUS-Team untersuchte diese Ionenkanäle während des Raketenfluges mit biophysikalischen Messungen an Froscheiern, den sogenannten Oozyten. Die Erkenntnisse aus dem Experiment sind für die biologische und medizinische Forschung ein Schritt, um die zelluläre Wahrnehmung von mechanischen Kräften besser zu verstehen.
REXUS und BEXUS: ein Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre Vorschläge für Experimente können jährlich im Oktober eingereicht werden. Der diesjährige Aufruf dazu wird am 13. Juni 2016 veröffentlicht. Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
Auf deutscher Seite erfolgt die Projektleitung mit der Betreuung der Experimente durch das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnik (ZARM) in Bremen. Die Flugkampagnen führt EuroLaunch durch, ein Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA), die für die Bereitstellung der Raketensysteme zuständig ist, und des Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC, das über die Startinfrastruktur verfügt. Die Programmleitung liegt beim DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.
Quelle: DLR
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