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Astronomie - Extragalaktischer Radioempfang

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Astronomen erforschen die Außenbereiche von Galaxien in langwelliger Radiostrahlung
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CHANG-ES (“Continuum Halos in Nearby Galaxies, an EVLA Survey”) ist ein Forschungsprojekt, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vielen Ländern der Erde gemeinsam Ursprung und Entwicklung von ausgedehnten Radiohüllen („Halos“) in Galaxien erforschen.  Sie untersuchen dabei den Übergang von den Galaxienscheiben zu den Halos, indem sie deren Radiostrahlung messen, die durch kosmische Strahlung in Magnetfeldern erzeugt wird. Damit gibt die Radiostrahlung wichtige Informationen über die Stärke und Struktur des Magnetfeldes preis. Das Ziel ist, die Verbindung und Wechselwirkung zwischen den ausgedehnten Halos und den Galaxienscheiben zu verstehen.
Zwei Max-Planck-Institute (Radioastronomie in Bonn und extraterrestrische Physik in Garching) und die Ruhr-Universität Bochum sind in einer vor kurzem veröffentlichten Untersuchung einer Stichprobe von 35 nahen von der Seite aus gesehenen Spiralgalaxien beteiligt. Dazu erfolgten Radiobeobachtungen in der kompakten D-Konfiguration des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) Teleskopnetzwerks in einer Reihe von spektralen Fenstern in gleich zwei Frequenzbereichen, L-band (um 1,5 GHz bzw. 20 cm Wellenlänge) und C-band (um 6 GHz bzw. 5 cm Wellenlänge).
Aus der Überlagerung von Radiobeobachtungen von 30 Galaxien im Rahmen des CHANG-ES-Projekts im C-Band wurde ein gemitteltes Bild erzeugt, das die Ausdehnung dieser Galaxien in Radiowellenlängen zeigt, in Bereiche, die im Optischen komplett unsichtbar sind.
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Zusammengesetztes Bild einer von der Seite aus gesehenen Spiralgalaxie mit einem ausgedehnten Halo, der durch fast lichtschnelle Partikel im Magnetfeld der Galaxie erzeugt wird. Der ausgedehnte Bereich in blaugrauer Farbe in diesem Bild wurde erzeugt durch die Mittelung der Radiohalos aus Beobachtungen von insgesamt 30 verschiedenen Galaxien mit dem „Very Large Array“. Im Zentrum der Abbildung ist eine Aufnahme der Galaxie NGC 5775 mit dem Hubble-Teleskop im sichtbaren Licht dargestellt. Das Hubble-Bild zeigt nur den inneren Teil der Sternentstehungsregion in dieser Galaxie, deren äußere Bereiche bereits horizontal in das Gebiet des Radiohalos hineinragen.
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Die Untersuchung einer ganzen Reihe von Spiralgalaxien, die von der Seite aus gesehen werden, hat gezeigt, dass ausgedehnte Hüllen („Halos“) erzeugt aus kosmischer Strahlung und Magnetfeldern oberhalb und unterhalb der Galaxienscheiben wesentlich häufiger vorkommen als ursprünglich gedacht.
Ein internationales Astronomenteam hat Radiobeobachtungen mit dem Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) in der Wüste von Neu-Mexiko von 35  dieser Spiralgalaxien mit Entfernungen bis zu  137 Millionen Lichtjahren durchgeführt, nachdem das Teleskop kürzlich mit modernster digitale Empfängertechnik für mehr als 100 Millionen Dollar ausgerüstet wurde.
"Wir wussten schon vorher von der Existenz von einigen dieser Halos, aber mit der vollen Leistungsstärke des VLA nach dem Upgrade, und mit der Anwendung neuartiger Bildverarbeitungstechniken können wir jetzt nachweisen, dass diese Halos bei Spiralgalaxien wesentlich häufiger zu finden sind als bis jetzt angenommen”, sagt  Judith Irwin von der Queens-Universität in Kingston/Kanada, die Leiterin des CHANG-ES-Projekts.
Bei Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße findet man den überwiegenden Anteil von Sternen sowie Gas und Staub in einer flachen rotierenden Scheibe mit Spiralarmen. Der größte Teil des sichtbaren Lichts wie auch der Radiowellen kommt aus dieser Scheibe.  Erkenntnisse über den Bereich weit oberhalb und unterhalb der Scheibe waren bisher wegen nicht ausreichender Empfindlichkeit der Teleskope nur schwierig zu erhalten.
„Die Untersuchung der Halos von Galaxien mit Radioteleskopen gibt uns wertvolle Informationen über einen weiten Bereich unterschiedlicher Phänomene wie zum Beispiel die Sternentstehungsrate in der Galaxienscheibe, Winde von explodierenden Sternen sowie Ursprung und Eigenschaften der Magnetfelder von Galaxien“, sagt Theresa Wiegert, ebenfalls von der Queens-Universität, die Erstautorin der Veröffentlichung, in der die Analyse der Daten von 35 Galaxien präsentiert wird.
Um abzuschätzen, welche Ausdehnung ein „typischer“ Halo in einer Galaxie zeigt, haben die Forscher die Radiobilder von 30 Galaxien auf den gleichen Maßstab gebracht. Jayanne English von der University of Manitoba in Canada hat aus diesen Daten ein gemitteltes Galaxienbild erzeugt. Das Resultat (s. Abb.), so Judith Irwin, „ist ein spektakuläres Bild, auf dem man sieht, dass kosmische Strahlung und Magnetfelder nicht nur die Galaxienscheibe durchdringen, sondern auch bis weit oberhalb und unterhalb der Scheibe hinausragen.“
“Wir haben Radiohalos von individuellen Galaxien bereits seit einiger Zeit untersucht“, erklärt Ralf-Jürgen Dettmar von der Ruhr-Universität in Bochum. „Die CHANG-ES Stichprobe von Galaxien gibt uns jetzt einen statistischen Zugang zur Wechselwirkung zwischen Halos und Galaxienscheiben.“ Eines seiner primären Forschungsobjekte, die Galaxie NGC 5775, wird als Muster für die Darstellung des zentralen Sternentstehungsgebiets in der Abbildung gezeigt.
Das kombinierte Bild stellt auch die Bestätigung der theoretischen Vorhersage von solchen Halos aus dem Jahr 1961 dar.
Zusammen mit der Veröffentlichung der Ergebnisse werden die Daten in Form von speziellen VLA-Bildern auch für andere Forscher zugänglich gemacht. In vorhergehenden Publikationen wurden bereits Ziele und Details des CHANG-ES-Projekts beschrieben. Das Forscherteam hat eine Serie von Radiobeobachtungen mit dem VLA fertiggestellt, wobei die vorliegende Veröffentlichung auf der Analyse des ersten Teils der daraus erzeugten Bilder basiert. Zur Zeit werden auch die übrigen Datensätze analysiert und daraus Bilder erzeugt, die nach ihrer Veröffentlichung ebenfalls auch für andere Wissenschaftler zugänglich gemacht werden.
“Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts helfen uns dabei, eine Reihe von bisher unbeantworteten Fragen zur Sternentstehung und Galaxienentwicklung zu beantworten“, schließt Marita Krause vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Das Forschungsteam umfasst Philip Schmidt, Silvia Carolina Mora, Ancor Damas-Segovia, Marita Krause & Rainer Beck (alle vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn), Theresa Wiegert, die Erstautorin der Veröffentlichung, Judith Irwin, Stephen MacGregor & Amanda DeSouza (alle vom Dept. of Physics, Engineering Physics & Astronomy, Queen’s University, Kingston, Canada),  Arpad Miskolczi, Yelena Stein, Ralf-Jürgen Dettmar, Marek Wezgowiec (alle vom Astronomischen Institut der Ruhr-Universität Bochum), Jayanne English (Department of Physics and Astronomy, University of Manitoba, Winnipeg, Canada), Richard J. Rand, Isaiah Santistevan (Dept. of Physics and Astronomy, University of New Mexico, Albuquerque, USA), Rene Walterbos (Dept. of Astronomy, New Mexico State University, Las Cruces, USA), Amanda Kepley (NRAO, Charlottesville, USA) , Q. Daniel Wang (Dept. of Astronomy, University of Massachusetts, Amherst, USA), George Heald (ASTRON, Dwingeloo, The Netherlands), Jiangtao Li (Dept. of Astronomy, University of Michigan, Ann Arbor, USA), Megan Johnson (CSIRO, Epping, Australia), Andrew W. Strong (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching, Germany) und Troy A. Porter (Hansen Experimental Physics Laboratory, Stanford University, USA).
Das Projekt wurde unterstützt durch das Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada, und das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), betrieben von der National Science Foundation (NSF).
Die Forschungsarbeit an der Ruhr-Universität Bochum wurde unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, Projekt FOR1048). Eine Unterstützung durch das Computerzentrum der Max-Planck-Institute (RZG) in Garching erfolgte in Bezug auf Programme zur Datenarchivierung.
Quelle: MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT, MÜNCHEN

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