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Max-Planck-Forscher finden Hinweise auf Aktivitätszyklen des Begleitsterns
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Pulsare sind schnell rotierende, kompakte Überreste von Explosionen massereicher Sterne. Beobachten lassen sie sich anhand der Bündel aus Radio- und Gammastrahlung, die sie wie kosmische Leuchttürme ins All senden. Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover haben nun ein Doppelsternsystem mit einem schnell rotierenden, sogenannten Millisekundenpulsar ganz genau vermessen. Die Wissenschaftler analysierten Archiv-Daten des Gamma-Weltraumteleskops Fermi mit neuen Methoden präziser als zuvor möglich. Dabei entdeckten sie Schwankungen in der Umlaufzeit des wechselwirkenden Doppelsternsystems, die sich durch magnetische Aktivitätszyklen des Begleitsterns erklären lassen.
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Im Doppelsternsystem umlaufen der Pulsar und sein Begleitstern den gemeinsamen Schwerpunkt in nur 4,6 Stunden. Der Begleiter wird durch die Strahlung (magenta) des Pulsars einseitig erhitzt und langsam verdampft. Das Doppelsternsystem und der Begleiter sind maßstabsgerecht abgebildet, der Pulsar wurde vegrößert.
© Knispel/AEI/SDO/AIA/NASA/DSS
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0FGL J2339.8–0530 – diese Zeichenkombination ist der Katalogname eines Himmelsobjekts, welches das Large Area Telescope (LAT) an Bord des Fermi Gamma-ray Space Telescope bereits im Jahr 2009 als Quelle intensiver Gammastrahlung identifizierte. Beobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen in den Folgejahren legten nahe, dass sich dahinter ein Millisekundenpulsar verbirgt, der mit einem Begleitstern den gemeinsamen Schwerpunkt in etwa 4,6 Stunden umrundet.
Erst im Jahr 2014 konnte der Pulsar als „PSR J2339–0533“ anhand seiner Radiostrahlung nachgewiesen werden. Die Beobachtung im Radiobereich wird dadurch erschwert, dass der Pulsar mit seinem Begleitstern wechselwirkt – er erhitzt seinen Begleiter und verdampft ihn dadurch. So ist das Doppelsternsystem von Gaswolken erfüllt, die die Radiostrahlung absorbieren und den Pulsar zeitweise unsichtbar machen. Um das System vollständig zu charakterisieren, wären regelmäßige Beobachtungen über mehrere Jahre notwendig.
Durchblick mit Gammastrahlung
Die Gammastrahlung von PSR J2339–0533 hingegen durchdringt die Gaswolken und erlaubt so dessen Untersuchung. „Die vom Fermi-LAT registrierten Ankunftszeiten der einzelnen Gammaphotonen hängen von den physikalischen Eigenschaften der Sterne und ihrer Bahnen ab“, erläutert Holger Pletsch, Leiter einer unabhängigen Forschungsgruppe am AEI und Erstautor der in The Astrophysical Journal erschienen Studie.
Im Umkehrschluss lässt sich aus der Analyse der Ankunftszeiten eine präzise Vermessung der Doppelsternsystems konstruieren. „Nach den ersten Radiobeobachtungen hatten wir einen Ansatzpunkt, anhand der umfangreichen Fermi-LAT-Archivdaten der letzten sechs Jahre sofort einen hochauflösenden Blick auf das System zu werfen“, sagt Pletsch.
Präzise Messungen mit neuen Methoden
Entscheidend war dabei der Einsatz neuer Analyse-Algorithmen. „Im Gegensatz zu bisherigen Verfahren, die stets die Ankunftszeiten mehrerer Gammaphotonen mitteln und so zeitliche Auflösung verlieren, basiert unsere Methode auf den Ankunftszeiten einzelner Photonen“, sagt Colin Clark, Doktorand in Pletschs Arbeitsgruppe und Koautor. „Dadurch können wir die physikalischen Eigenschaften des Doppelsternsystems noch genauer ermitteln, vor allem Effekte auf kürzeren Zeitskalen.“
Die Ergebnisse von Pletsch und Clark liefern eine ganz genaue Vermessung von PSR J2339–0533, seinem Begleiter und ihren Bahnen umeinander. Es handelt sich um die erste hochpräzise Vermessung eines solchen wechselwirkenden Doppelsternsystems mittels der Gammastrahlung eines Millisekundenpulsars. Die Forscher reizen dabei die Zeitauflösung des Fermi-LAT, die etwa bei Millionstelsekunden liegt, aufs Äußerste aus.
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Die magnetische Aktivität des Begleiters beeinflusst die Umlaufzeit im Doppelsternsystem. Das schwankende Magnetfeld des Begleiters mit dem Plasma im Sterninneren und verformt ihn (rechts). Mit der Form des Sterns ändert sich auch sein Gravitationsfeld, was wiederum die Bahn des Pulsars beeinflusst und die beobachteten Schwankungen (links) der Umlaufzeit erklärt. Das Doppelsternsystem und der Begleiter sind maßstabsgerecht abgebildet, der Pulsar wurde stark vergrößert, ebenso die Verformung des Begleiters.
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Magnetische Aktivität lässt die Umlaufzeit schwanken
Die Ergebnisse zeigen eine überraschende Schwankung der Umlaufzeit. „Wir waren erstaunt, dass die Umlaufzeit langsam nach oben und unten um den Mittelwert von 4,6 Stunden schwankt. Die Änderungen liegen in der Größenordnung von wenigen Tausendstelsekunden, was verglichen mit der Messgenauigkeit von Millionstelsekunden aber enorm viel ist“, sagt Clark. „Das ist so als würde die Jahreslänge auf der Erde um ein Dutzend Sekunden schwanken.“
Als wahrscheinlichste Ursache erachten die Wissenschaftler winzige Veränderungen in der Form des Begleitsterns, die durch dessen magnetische Aktivität hervorgerufen werden. Ähnlich wie unsere Sonne durchläuft der Begleiter demnach Aktivitätszyklen. Das dabei schwankende Magnetfeld wechselwirkt mit dem Plasma im Sterninneren und verformt ihn. Mit der Form des Sterns ändert sich auch sein Gravitationsfeld, was wiederum die Bahn des Pulsars beeinflusst und die beobachteten Schwankungen der Umlaufzeit erklärt.
„In der Zukunft kann die Kombination von weiteren Beobachtungen mit optischen Teleskopen uns helfen, den Zusammenhang zwischen Sternaktivität und Schwankungen der Umlaufzeit zu belegen“, sagt Pletsch. Diese könnte außerdem zum besseren Verständnis des Doppelsternsystem beitragen. „Die Fermi-LAT-Beobachtungen des Pulsars lassen uns gewissermaßen in das Innere des Begleitsterns blicken. Vielleicht lässt sich damit zukünftig sogar die Art des Magnetfeld-Dynamos im Begleiter ermitteln.“
Pulsare
Neutronensterne sind Exoten. Sie bestehen aus Materie, die viel dichter gepackt ist als gewöhnlich, mit einer Dichte vergleichbar der eines Atomkerns. Ein Stern von etwa der Masse unserer Sonne hätte so einen Durchmesser von rund 30 Kilometer.
Außerdem besitzen Pulsare extrem starke Magnetfelder. Entlang der Magnetfeldlinien beschleunigte, geladene Teilchen senden elektromagnetische Strahlung in verschiedenen Wellenlängenbereichen aus: Diese Strahlung ist in Richtung der Magnetfeldachse kegelartig gebündelt. Dreht sich der Neutronenstern nun um seine Rotationsachse, die relativ zur Magnetfeldachse geneigt ist – und das ist der Regelfall –, so beleuchten die Strahlungskegel wie ein Leuchtturm das Universum. Der Neutronenstern ist dann als Pulsar sichtbar. Die Pulsare rotieren im Sekunden- bis Millisekundentakt so präzise, dass sie als die zuverlässigsten Uhren überhaupt gelten.
Erstmals wurden diese kosmischen Leuchtfeuer im Jahre 1967 von Jocelyn Bell Burnell als Radiopulsare entdeckt. Inzwischen sind außerdem Röntgen- und Gammapulsare bekannt. Auch wenn sich nicht alle Pulsare in allen Frequenzbereichen beobachten lassen, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sie über das gesamte elektromagnetische Spektrum verteilt Energie abstrahlen.
Gamma- und Radiopulsare
Jedoch sind die Mechanismen, welche die Strahlung in den verschiedenen Frequenzbereichen erzeugen, noch nicht vollständig verstanden. Die Forscher vermuten, dass die energieärmeren Radiowellen an den Magnetfeldpolen zu einem engeren Lichtkegel gebündelt werden als die hoch energetische Gammastrahlung. Nun wird aber die meiste Strahlung entlang der Kegelhülle ausgesendet. Da die Kegel in diesem Modell je nach Art der Strahlung unterschiedlich stark aufgefächert sind, verlassen Radio- und Gammastrahlung den Pulsar in unterschiedliche Raumrichtungen. Aus diesem Grund könnte ein Pulsar für den Beobachter entweder als Gamma- oder als Radiopulsar erscheinen.
Quelle: MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT, MÜNCHEN
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