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Von der "Prä-Astronautik" bis zu Nazi-Aliens vom Aldebaran - ein Fall für Florian Freistetter
Wenn jetzt im Frühling die Temperaturen steigen und man auch abends noch, ohne zu frieren, die Zeit im Freien verbringen kann, dann freut das zwar die Gastwirte, die jetzt ihre Gärten bewirtschaften können. Die Astronomen an den Sternwarten dagegen bekommen in dieser Zeit vermehrt Anrufe von Menschen, die meinen, sie hätten beim Blick in den nächtlichen Frühlingshimmel ein UFO gesehen.
An einem UFO wäre ja an sich noch nichts weiter bemerkenswert. Die Abkürzung steht ja schlicht und einfach nur für "Unbekanntes Flug-Objekt"; also für alles, was man so am Himmel sehen, aber nicht sofort identifizieren kann. Aber dank jahrzehntelanger Konditionierung durch Science-Fiction-Filme und -Bücher denken viele bei ihnen unbekannten Lichtern am Himmel mittlerweile ausschließlich an "außerirdische Raumschiffe". Oder aber zumindest an "irgendetwas Mysteriöses". Daran ist einerseits Unkenntnis über die astronomischen und meteorologischen Vorgänge am Himmel verantwortlich. Aber auch Wunschdenken und Selbstüberschätzung.
Weltverschwörung ohne Faymann?
Die Menschen haben sich immer schon irgendwelche Wesen vorgestellt, die im Himmel wohnen und ab und zu auf die Erde kommen. Früher waren es Götter und Engel. Dann Hexen und Dämonen. Und heute sind es eben die Aliens, die mal böse und mal friedfertig die Belange der Menschheit beeinflussen. Das UFO-Phänomen der Gegenwart könnte vielfältiger kaum sein.
Da gibt es die Verschwörungstheoretiker, die glauben, die Mächtigen dieser Welt würden im Geheimen von "Reptiloiden" aus dem Weltall manipuliert. "Vor langer Zeit, so ca. vor 8.000 Jahren, wurden von den Reptiloiden außerirdische, gentechnisch erzeugte Wesen vom Planeten Kantek, aber auch vom Mars zur Erde gebracht.", kann man da zum Beispiel in einschlägigen Internetblogs lesen.
Und anscheinend gehören alle wichtigen Politiker dazu: "Diesen Gestalten, wie zum Beispiel George Bush, Toni Blair, Obama, Merkel, Schäuble, werden außergewöhnliche Fähigkeiten zugeschrieben. Man sagt ihnen nach, dass sie nur ein Ziel verfolgen, und dies ist die 'NWO', die Welteinheitsregierung, und dafür gehen sie über Leichen - sie nehmen die Verelendung der Menschen billigend in Kauf". (Bundeskanzler Faymann wurde allerdings meines Wissens nach bis jetzt noch nie als Scherge der Reptiloiden enttarnt; aber vielleicht ist er dafür ja nicht wichtig genug ...)
Nazi-Aliens und Lichtgestalten
Die rechten Esoteriker dagegen sind fest davon überzeugt, dass Adolf Hitler und die Nazis gemeinsam mit arischen Aliens die erneute Machtübernahme planen. Die Nazi-Aliens sollen übrigens vom Aldebaran kommen und das deutsche Reich im Kampf gegen die von den Reptiloiden unterwanderte USA unterstützen. Andererseits hat letztes Jahr eine iranische Nachrichtenagentur gemeldet, die amerikanische Regierung würde von einer Gruppe rechtsextremer Aliens, den "Tall Whites", gestützt. Die Sache ist offensichtlich kompliziert ...
Besser ist es, man fragt die Aliens selbst, und genau das tun zahlreiche sogenannte "Lichtarbeiter". Sie stehen angeblich in telepathischem Kontakt mit Wesen, die zu einer "Galaktischen Föderation des Lichts" gehören und tolle Namen wie "Ashtar Sheran" haben. Sie wollen uns mit ihrem überlegen Wissen unter die Arme greifen (aber natürlich erst dann, wenn wir uns geistig weit genug entwickelt und als würdig erwiesen haben) und sagen Dinge wie "Mehr und mehr wird unsere Präsenz, unsere Anwesenheit und unser bevorstehendes öffentliches Erscheinen zum Thema in den Gesprächen! Wir kommen – viele von uns sind bereits unter Euch -, um Euch zu helfen, "aufzuräumen" mit allem, was Euch bedrängte!"
Massensuizid
Und in diversen Sekten warten Gläubige auf Raumschiffe, die sie in eine bessere Welt bringen sollen, was durchaus auch tragisch enden kann, wie der Massensuizid von 39 Anhängern der "Heaven's Gate"-Gemeinschaft im Jahr 1996 gezeigt hat. Damals behaupteten Pseudowissenschafter, der Komet Hale-Bopp würde von einem Raumschiff begleitet an der Erde vorbei fliegen, und präsentierten astronomische Aufnahmen, die das "beweisen" sollten.
Gezeigt haben die Bilder allerdings nur einen ganz normalen Stern; was die Esoteriker aber nicht irritieren konnte: Hellseher "bestätigten" die Existenz eines Alien-Raumschiffs und die Mitglieder von "Heaven's Gate" beschlossen, damit die Erde zu verlassen und wählte den Massensuizid, um das zu erreichen.
Immer noch aktiv: Erich von Däniken
Fast schon harmlos ist dagegen das, was "Prä-Astronautik"-Klassiker wie Erich von Däniken seit Jahrzehnten publizieren. Die Aliens kommen nicht erst, sie waren angeblich schon längst da und Däniken wird nicht müde, in seinen Bücher die immer gleiche Botschaft zu verkaufen. "Vor mehreren tausend Jahren landeten Besucher von fremden Planeten auf der Erde. Sie bestimmten die Geschichte der Menschheit", lautet zum Beispiel die Inhaltsangabe seines neuesten Werks.
Die Hinweise echter Wissenschafte,r die ebenfalls nicht müde werden zu erklären, das die archäologischen Thesen der Prä-Astronautiker nicht viel mit der Realität zu tun haben, werden dabei allerdings standhaft ignoriert.
Naturwissenschaftliche Erklärungen wenig gefragt
Der Glaube an Aliens nimmt eine Vielzahl von Formen an, von den wirren Ideologien der Esoteriker bis hin zu den angeblich seriösen Ufologen, die den Lichterscheinungen am Himmel nachspüren. Und wenn es auch tatsächlich einige wenige Gruppen gibt, die sich der UFO-Frage mit wissenschaftlichen Methoden nähern und nach Erklärungen suchen, die nicht unbedingt etwas mit Außerirdischen zu tun haben, sind die wissenschaftlichen Erklärungen in der UFO-Szene meistens nicht gern gesehen.
Wird dann zum Beispiel erklärt, dass das helle Licht am Himmel nur der Planet Jupiter war; ein Flugzeug mit seinen Positionslichtern oder ein Wetterballon (ja, die gibt es tatsächlich und sind keine Erfindung zur Vertuschung der Anwesenheit von Aliens!), dann wird das selten akzeptiert.
Wir Menschen neigen leider dazu, unsere eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu überschätzen und wollen nicht wahrhaben, wie leicht wir uns selbst täuschen können. Und wenn dann noch die weit verbreitete Unkenntnis über die astronomischen Vorgänge am Himmel dazu kommt und der Wunsch, an einem großen und aufregenden Geheimnis teilzuhaben, dann werden aus ganz normalen Lichtern am Himmel eben schnell außerirdische Raumschiffe.
Just Astronomen sehen die wenigsten UFOs
Dabei sind es gerade die Hobby- und Berufsastronomen, die so gut wie nie UFO-Sichtungen melden, obwohl sie länger und öfter als alle anderen zum nächtlichen Himmel blicken. Sie wissen aber auch ganz genau, was man dort alles sehen kann: Sternschnuppen und helle Meteore. Planeten. Leuchtende Nachtwolken. Flugzeuge, Hubschrauber, Wetterballons, Satelliten und andere menschengemachte Gerätschaften. Raketen und verglühenden Weltraumschrott. Reflexionen von irdischen Lichtquellen. Polarlichter.
Es gibt eine Vielzahl an Lichtquellen am Nachthimmel zu beobachten, und keine davon hat irgendetwas mit außerirdischen Raumfahrzeugen zu tun. Übrigens sind die meisten Astronomen auch fest davon überzeugt, dass es irgendwo im All tatsächlich außerirdisches Leben gibt. Immerhin gibt es genug Planeten, die andere Sterne umkreisen. Aber der Raum zwischen den Sternen ist eben auch unvorstellbar groß und nicht so einfach zu durchqueren, wie uns das die Science-Fiction-Filme einreden wollen.
Über Astronomie hört man von Seiten der UFO-Fans leider wenig. Da redet man lieber über "Disclosure" oder "Exopolitik" und zitiert irgendwelche Generäle oder Politiker, die behaupten, die UFOs wären Raumschiffe, nur um kurz danach zu erklären, dass die Existenz der Aliens auf der Erde von der Politik und dem Militär vertuscht wird. Da werden Aufnahmen von Weltraumteleskopen diskutiert und aus Bildfehlern Raumschiffe gemacht, die sich hinter der Sonne verstecken, oder man jagt Kornkreisen hinterher, die von gelandeten Aliens erzeugt worden sein sollen.
Der Himmel hat auch so eine Menge zu bieten
Wenn man von den gefährlichen pseudoreligiösen UFO-Sekten und der Geschäftemacherei der Esoteriker absieht, dann ist die ganze UFO-Sache eigentlich recht harmlos. Es gibt eindeutig schlimmere und schädlichere Hobbys, als nach nicht-existenten Raumschiffen zu suchen. Und die Vorstellung, das tatsächlich Wesen von anderen Planeten zu Besuch auf die Erde kommen, ist unbestreitbar sehr faszinierend. Aber sie verstellt eben leider auch den Blick auf den noch viel faszinierenderen realen Himmel.
Das, was in der Nacht im Universum leuchtet, ist auch ganz ohne Raumschiffe beeindruckend. Wer beim Anblick einer unbekannten Lichtquelle nicht sofort an Außerirdische denkt und sich nach seriösen Informationsquellen umsieht, wird überrascht sein, was die Realität zu bieten hat.
Es lohnt sich, den Himmel zu betrachten. Vor allem jetzt, wo man nachts auch wieder ohne zu frieren zu den Sternen blicken kann, sollte jeder die Chance dazu nutzen. Und wenn man sich vorher ein wenig über Astronomie informiert und weiß, was man da sieht, macht die Beobachtung gleich doppelt so viel Spaß!
Quelle:(Florian Freistetter, derStandard.at, 31.3. 2015)
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