Der Himmel war bedeckt, als Karl Eschmat heute vor 50 Jahren gegen 13.45 Uhr einen lauten Krach hörte. Erst am Tag danach entdeckte er einen Stein mit schwarzer Schmelzkruste, der ein großes Loch in das Blechdach des Hauses in Kiel-Pries gerissen hatte. Wie sich später herausstellte, war den Eschmats ein Meteorit ins Haus gefallen.
Der Jahrestag ist Anlass für eine Sonderausstellung an der Uni, eine Tagung von Meteoriten-Experten aus ganz Deutschland und die Enthüllung einer Gedenktafel. Das rote, 1703 gebaute Fachhallen-Häuschen im Friedrichsruher Weg, das vom Himmelskörper getroffen wurde, liegt ein wenig geduckt, idyllisch inmitten grüner Wiesen. Eine Lage, die es wie das denkmalgeschützte Gebäude mit großer Diele und Stallteilen dem jetzigen Besitzer sehr angetan hat. Und dieser stellt sich als „Werners“ Spezi „Holgi“, Wirt vom Kieler „Club 68“ heraus, vielen bekannt als derjenige, den Stammgast und Comic-Zeichner Brösel alias „Werner“ zum legendären Rennen herausgefordert hatte – Porsche gegen viermotorige Horex.
Als „Holgi“ das Haus vor 25 Jahren kaufte, wusste er nichts von der besonderen Geschichte, bis ihm die frühere Besitzerin Anni Eschmat erzählte, dass der Stein auch die Dachbalken durchschlug und in die Diele fiel. Seitdem hielten sich dort die Blumen ungewöhnlich lang, erinnerte er sich grinsend an ihre verwunderte Feststellung, muss aber zugeben: „Das stimmt wirklich, bis heute. Wer weiß schon, welche Stoffe der Stein mitbrachte.“
Der Meteorit hat manch Ungewöhnliches ins Rollen gebracht, was sogar Holger Henze, als Wirt an Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Gästen gewöhnt, überrascht: Der „Volltreffer“ aus dem Kosmos beschert dem 68-Jährigen am Sonnabend eine Feier mit einer bisher unbekannten Spezies von Besuchern. Es sind Tagungsteilnehmer des „Deutschen Meteoriten Kolloquiums“ an der Kieler Universität, die sich am Freitag und Sonnabend mit den seltenen Himmelsfunden befassen. Sie kommen, um zum Abschied die Enthüllung der Info-Tafel auf einem Sockel vor „Holgis“ Haus mitzuerleben, denn der Meteorit von Kiel ist der einzige bekannte Meteorit Schleswig-Holsteins, heißt es in der Einladung. „Holgi“ freut sich, stoßen am Sonnabend doch auch Kumpel „Werner“ und einige andere Freunde dazu. Ein Himmelsereignis, das „Holgi“, wie er sagt, kulinarisch küstenmäßig garniert: Es gibt Häppchen mit Räucherlachs und Matjes.
Vielleicht schafft er es dann auch endlich, sich den im Geleogischen und Mineralogischen Museum der Uni ausgestellten Stein das erste Mal anzusehen – genauer, den kleinen Rest des 737,6 Gramm schweren Meteoriten, von dem ein Stück in Heidelberg liegt. Dabei hat sich die Farbe von „Holgis“ Hausdach mit roten Sprengseln im Stein verewigt.
Quelle: Kieler Nachrichten, 25.04.2012
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