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Wissenschaftler Frank Schäfer vom Fraunhofer Institut für Kurzzeitdynamik in Freiburg mit einer Hülle eines Satelliten.
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Freiburg . Am 15. Februar 2013 explodiert über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk ein Meteorit. Die Druckwelle lässt Tausende Scheiben zerbersten und deckt Dächer ab, rund 1500 Menschen werden von Glassplittern verletzt. Voraussehen konnte den zerstörerischen Himmelskörper niemand. Zu klein war der etwa 10 000 Tonnen schwere und 20 Meter im Durchmesser große Brocken, um mit Teleskopen aufgespürt zu werden.
Deutlich größere Himmelskörper haben Forscher des internationalen Forschungsprojekts „NEOshield“ im Blick. Solche, die der Erde nahe kommen könnten und deutlich gefährlicher sind als der Meteorit von Tscheljabinsk. Wie diese sich im Notfall von ihrer Bahn abbringen ließen, untersuchen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik in Freiburg. Dort werden Asteroiden im Miniaturformat von winzigen Satelliten beschossen.
Nichts deutet im Untergeschoss des Instituts darauf hin, dass dort daran geforscht wird, die Erde vor tödlichen Brocken aus dem All zu retten. „Städte- und Regional-Killer“ nennt Wissenschaftler Frank Schäfer die Asteroiden, die ihn beschäftigen. Sie haben einen Durchmesser zwischen 100 Metern und 300 Metern und könnten ganze Städte und Regionen auslöschen. Rund 10 000 solcher „Near-Earth-Objects“ - Asteroiden, die der Erde nahe kommen können - haben Astronomen bisher registriert.
Teleskope oder Messinstrumente zur Beobachtung von Asteroiden sucht man am Arbeitsplatz von Schäfer vergeblich. Ein etwa sieben Meter langer Apparat steht im Labor des Physikers. Es ist eine Art Kanone, mit der winzige Kügelchen aus Aluminium auf Gesteinsbrocken geschossen werden. Schäfer nennt sie ganz futuristisch „Spacegun“, oder, wissenschaftlich ausgedrückt, Beschleunigungsanlage. Mit ihr wird die Abwehr gefährlicher Asteroiden mit Satelliten simuliert.
Ziel der „NEOshield“-Forscher ist es, künftig eine Raumsonde auf einem Asteroiden einschlagen lassen zu können und diesen so von seiner Umlaufbahn abzulenken. „Das ist ähnlich wie beim Billard», erklärt Schäfer. „Wenn eine Kugel auf die andere trifft, ändert diese ihre Bahn.“ Wie genau diese Veränderungen aussehen könnten, erforscht Schäfer mit sogenannten Pendeltests.
An einem Ende wird die „Spacegun“ mit einer Aluminiumkugel von der Größe eines Stecknadelkopfes geladen. Auf der anderen Seite hängt ein Betonklotz, etwa 20 Zentimeter breit, tief und hoch. Er hat eine ähnliche Dichte wie ein Asteroid. Porös, aber stabil. Porenbeton sagen Fachleute dazu. Dann wird geschossen, das Kügelchen knallt mit rund 30 000 Stundenkilometern auf den Klotz. Zeitlupenkameras zeichnen den Aufprall auf, Sensoren messen, wie sich der Klotz bewegt. Die Wissenschaftler rechnen dann in reale Größenordnungen um und stellen die Frage: Reicht die Kraft, um einen bedrohlichen Asteroiden aus seiner Bahn zu werfen?
Alan Harris, der das Projekt „NEOshield“ am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitet, hält es für realistisch, dass eine Sonde von der Größe eines Kleinlasters auf einen 100 Meter bis 300 Meter großen Test-Asteroiden geschossen wird, um diesen aus der Bahn zu kegeln. „Wir haben schon den ein oder anderen Asteroiden im Blick, den wir beschießen könnten“, sagt Harris. Welche das sind, bleibt geheim. „Es sind natürlich Kaliber, die nicht auf die Erde zurasen, sondern in sicherer Entfernung an ihr vorbeifliegen.“
Was passiert, wenn ein Asteroid nicht an der Erde vorbeifliegt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit - etwa der Einschlag eines Asteroiden im Nördlinger Ries in Bayern vor etwa 14,6 Millionen Jahren. Der Krater hat einen Durchmesser von bis zu 24 Kilometern. Auch der Barringer-Krater in Arizona (USA) mit einem Durchmesser von 1200 Metern wurde von einem Asteroiden verursacht. Er dürfte gerade mal 50 Meter groß gewesen sein. Und 1908 hat in Sibirien die Explosion eines Asteroiden Millionen Bäume entwurzelt.
Quelle: Schaumburger Nachrichten