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UFO-Forschung - VERSCHWÖRUNG UM E.T. Der Glaube an Besucher aus dem All wird zum gesellschaftlichen Problem

11.09.2024

Die Berührungsängste schwinden auf mehreren Ebenen, vor allem in den USA: Der britische Philosoph Tony Milligan sieht im trendigen Ufo-Thema eine wachsende Bedrohung

Dass Aliens unter uns wandeln, wird mittlerweile keineswegs nur von verwirrten Außenseitern für eine Tatsache gehalten: Allein in Großbritannien sind rund 20 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt, dass die Erde bereits von ET besucht wurde. Sieben Prozent wollen selbst ein Ufo gesehen haben. In den USA liegen die Zahlen noch einmal ein gutes Stück höher. Dort sahen laut einer Umfrage vor zwei Jahren 34 Prozent der Befragten in den regelmäßigen Ufo-Sichtungen einen klaren Beweis für außerirdisches intelligentes Leben. 1996 waren es dagegen nur 20 Prozent.

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Der Anstieg zeigt: Dieses Thema beschäftigt offenbar immer mehr Menschen. Das geht inzwischen so weit, dass sich US-Politikerinnen und -Politiker dazu gezwungen sehen, in der Öffentlichkeit zu Ufo-Beobachtungen Stellung zu nehmen: Die Offenlegung von Informationendurch das Pentagon über angebliche sogenannte UAPs (Unidentified Anomalous Phenomena), wie Ufos inzwischen offiziell bezeichnet werden, hat nicht nur in den Vereinigten Staaten für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Selbst die Nasa beteiligt sich inzwischen an dem Hype.

Ufos und Verschwörungstheorien

Der Ufo-Diskurs ist vor allem in den USA eng verbunden mit einem in Verschwörungskreisen besonders verbreiteten Misstrauen gegen die sogenannten "Eliten". Stets schwingt auch die Akte X-Vorstellung mit, das Militär, vor allem aber geheimnisvolle Organisationen würden hinter den Kulissen aus kommerziellen Interessen die "Wahrheit" über den Besuch von Außerirdischen gegenüber der Öffentlichkeit zurückhalten.

 

Die Überzeugung, man habe es mit einer großangelegten Vertuschungsaktion zu tun, stellt in seiner Verbreitung den bloßen Glaube an außerirdische Besuche sogar weit in den Schatten: Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2019 sind sich 68 Prozent der befragten Amerikanerinnen und Amerikaner sicher, die US-Regierung würde mehr über Ufos wissen, als sie zugeben will. Dieser politisch heikle Trend zeichnet sich bereits seit Jahrzehnten ab.

Jimmy Carters Ufo

Ein berühmter Fall, der wohl zur Ufo-Begeisterung einiges beigetragen hatte, ist jener von US-Präsident Jimmy Carter (von 1977 bis 1981 im Amt). Carter will im Oktober 1969, und damit zwei Jahre bevor er Gouverneur des Bundesstaates Georgia wurde, in Leary eine fliegende Untertasse am Himmel gesehen haben. "Wir waren etwa zwanzig Personen, die vor einem kleinen Restaurant standen", berichtete Carter vier Jahre später. "Am westlichen Himmel erschien eine Art grünes Licht. Das war kurz nach Sonnenuntergang. Es wurde heller und heller. Und dann verschwand es schließlich. Es hatte keine feste Substanz, es war nur ein sehr merkwürdig aussehendes Licht. Keiner von uns konnte verstehen, was es war."

 

Carter versprach daraufhin während seiner Präsidentschaftskampagne im Jahr 1976 die Offenlegung von etwaigen Ufo-Dokumenten der Regierung. Wie bei so vielen anderen vergleichbaren Sichtungen dürfte es sich bei der Beobachtung durch Carter wohl um die Venus gehandelt haben – eine einfache und naheliegende Erklärung, mit der sich freilich viele Ufo-Anhängerinnen und -Anhänger nicht zufrieden geben wollten.

Selbst Hillary Clinton hat während ihrer Präsidentschaftskampagne gegen Donald Trump angedeutet, sie würde zum Thema Ufos "die Pentagon-Akten so weit wie möglich öffnen". Und Trump selbst ließ erst vor wenigen Tagengegenüber dem populären Podcaster Lex Fridman wissen, er würde in seiner nächsten Amtszeit Ufo-Akten freigeben lassen.

 

Unscharfe Bilder, pixelige Videos

Der derzeit prominenteste Befürworter der Veröffentlichung von Ufo-Dokumenten ist der demokratische Senatsvorsitzende Chuck Schumer. Sein Gesetzesentwurf zu UAP-Dokumenten aus dem Jahr 2023 wurde von drei republikanischen Senatoren mitgetragen. Die Offenlegung von Ufo- beziehungsweise UAP-Dokumenten nahm schließlich in der Anfangsphase der Amtszeit von Joe Biden richtig Fahrt auf. Tatsächlich zu sehen gab es bisher jedoch nichts. Weder wurden scharfe, eindeutige Bilder präsentiert, noch bekam man beweiskräftige Videoaufnahmen von Ufos zu sehen.

 

Dass man mit unscharfen Fotos und pixeligen Filmchen in Händen der Öffentlichkeit gegenübertrat, ließ das Gemurre um die angebliche staatliche Ufo-Geheimiskrämerei keineswegs verstummen. Im Gegenteil: Es leiste Verschwörungstheorien Vorschub, die das Vertrauen in die demokratischen Institutionen untergraben könnten, argumentiert Tony Milligan vom King's College London in einem aktuellen Paper in den Proceedings of the International Astronomical Union.

Populistischer Tsunami

"Wenn man es mit Populismus zu tun hat oder mit dieser hochspezialisierten Variante des Populismus, hat man es mit einer Welle zu tun – einem politischen Tsunami", erklärte Milligan gegenüber Newsweek. Doch das sei laut Milligan nicht das einzige Problem. Zu viel Hintergrundrauschen über Ufos und UAPs kann auch einer seriösen wissenschaftlichen Berichterstattung, etwa über die Möglichkeit, mikrobielles außerirdisches Leben zu finden, im Wege stehen – allein schon deshalb, weil die Astrobiologie auf eine weit weniger effektive Werbemaschinerie zurückgreifen kann als die Ufologen.

Das mag ein simples Beispiel illustrieren: History, ein Youtube-Kanal, der teilweise Disney gehört, zeigt regelmäßig Sendungen über "antike Außerirdische". Die Serie läuft bereits in der 20. Staffel, und der Kanal hat 13,8 Millionen Abonnenten. Der Astrobiologie-Kanal der Nasa muss sich dagegen mit gerade einmal 20.000 Abonnenten begnügen. Tatsächliche Wissenschaft sei gegenüber Unterhaltung in sachlicher Verkleidung weit unterlegen, so der Philosoph.

Schwund kultureller Identität

Als dritte problematische Folge der Ufo-Gläubigkeit sieht Milligan die Überlagerung indigener Folklore und Kultur durch Erzählungen über vermeintlich historische oder prähistorische Alienbesuche der Erde. Das sei langfristig ein großes Risiko für die Erhaltung der ursprünglichen kulturellen Bedeutungen. "Fragmente der frühesten Geschichten sind immer noch in den indigenen Erzählungen vorhanden, und dann kommt diese Ufo-Besucher-Erzählung und beginnt, diese Mythen gleichsam zu überschreiben", kritisiert Milligan. In dem Maße, wie diese Berichte von Außerirdischen an Gewicht gewinnen, würde die wahre kulturelle Bedeutung indigener Geschichte und Mythologie verloren gehen.

 

Wenn die Ufo-Geschichten von der Allgemeinheit als unterhaltsame Fiktion betrachtet würde, wäre das in Ordnung, so Milligan. Doch so sei es mittlerweile nicht mehr, und dies sei ein Problem für alle, nicht nur für indigene Völker, die um die Fortführung authentischer Traditionen kämpfen. Für den Wissenschafter bedrohe die wachsende Ufo-Begeisterung letztlich auch unser aller Verständnis für die Vergangenheit.

Soziale Medien und Politiker, die nicht davor zurückschrecken, selbst in Ufologenkreisen nach Wählerinnen und Wählern zu fischen, lassen laut Milligan befürchten, dass der Ufo-Trend wahrscheinlich noch zunehmen wird. "Nichts von alledem ist gut für demokratische Gesellschaften", sagte er. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, wenn sich politische Persönlichkeiten mit Gewicht zu diesem wachsenden Problem äußern würden. Ändern würde das insgesamt vermutlich aber wenig. "Man kann die Welle nicht aufhalten", prophezeit Milligan wenig optimistisch. (Thomas Bergmayr, 11.9.2024)

Quelle: DER STANDARD

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