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Mars-Chroniken - Die rätselhaften Sulfatberge in Juventae Chasma

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Der Talkessel Juventae Chasma im äquatorialen Marshochland

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Das Wasser, das in der Frühzeit des Mars über den Planeten geflossen ist, hat vielfältige Spuren hinterlassen. Auffallend und ungewöhnlich sind zwei Berge mit terrassenförmigen Stufen im Talkessel von Juventae Chasma. Sie bestehen ganz offensichtlich aus Sedimentschichten. Raumsonden haben gezeigt, dass es sich bei diesen Ablagerungen um Sulfate handelt, also Minerale wie Gips, Alabaster oder Kieserit, bei deren Entstehung in der Regel Wasser eine Rolle spielt. Erst vor wenigen Wochen flog auch die ESA-Raumsonde Mars Express zum wiederholten Mal über Juventae Chasma. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene, hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der Raumsonde nahm am 4. November 2013 die hier gezeigten Bilder auf.
Die Auflösung der Bilder beträgt etwa 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Deshalb können die Strukturen der Sulfatberge gut im Detail untersucht werden. Juventae Chasma liegt wenige hundert Kilometer nordöstlich des zentralen Abschnitts der Valles Marineris, dem großen Grabenbruch, der sich über fast 4000 Kilometer entlang des Marsäquators erstreckt und sich bis zu elf Kilometer tief ins Hochland gegraben hat.
Auch Juventae Chasma hat beeindruckende Dimensionen: Mit einer Ost-West-Ausdehnung von 150 Kilometern und von 250 Kilometern von Süden nach Norden ist diese Struktur etwa so groß wie Baden-Württemberg. Im Norden geht Juventae Chasma in Maja Valles über. Das ist ein System großer Ausflusstäler, das sich über 1600 Kilometer durch das Hochland erstreckt und dann in die Tiefebene von Chryse Planitia mündet: Auch das ist ein deutlicher Hinweis auf Wasser, das hier einst vorhanden war.
Blick in einen fast 6000 Meter tiefen Talkessel mit einem Gebirge aus Gips
Ähnlich wie beim Grand Canyon in den USA, der sich in die Ebene des Colorado-Plateaus eingeschnitten hat, bricht das Hochland bei Juventae Chasma jäh in den riesigen Talkessel ab: Stünde ein Astronaut an dieser Abbruchkante, würde er in einen 5800 Meter tiefen Abgrund blicken. An den Flanken sind zahlreiche Spuren von Hangrutschungen und Bergstürzen erhalten. Der Boden im Süden dieser Senke (links in den Bildern 1, 4, 5) zeigt relativ wenig Topographie, ist über weite Strecken flach und von Sandablagerungen bedeckt. Die Landschaft im Norden (rechts in diesen Bildern) dagegen ist wesentlich unruhiger: Hier sieht man große Felsmassive, die durch Bergrutschungen von der Plateau-Oberkante an den Seiten stammen und nun als isolierte Fragmente der weiteren Verwitterung ausgesetzt sind.
Die beiden größten Einzelmassive in Juventae Chasma sind auf den Mars Express-Bildern aufgrund ihrer hellen Schichtungen gut zu erkennen. Die beiden Berge erhielten von amerikanischen Wissenschaftlern zunächst die minimalistisch anmutende Bezeichnungen "Hügel B" ("Mound B") und für den größeren der beiden Berge "Hügel C" - in der englischsprachigen Geologie wird der Begriff "Mound" für eher kleine Erdhügel verwendet. Hügel C ist allerdings fast 53 Kilometer lang, 20 Kilometer breit und erhebt sich bis zu 3300 Meter über seine Umgebung, hat also die Dimension einer Bergkette wie etwa der Zillertaler Alpen in Tirol. Beide "Hügel" zeigen markante Spuren von Winderosion entlang ihres Gipfelkamms - viele Kilometer lange stromlinienförmige "Yardangs", die durch Sand- und Staubkörner vom Wind herauspräpariert wurden. Das Gestein scheint demnach weich und nicht sonderlich erosionsbeständig zu sein.
Vulkane, Seen, Flussdeltas, Quellen - oder fielen die Sulfate "vom Himmel"?
Das auffallendste und geologisch interessanteste Phänomen an Hügel B und Hügel C sind jedoch die horizontalen Schichtungen, die sich wie Terrassen entlang der Bergflanken erstrecken. Mit den Spektrometer-Experimenten OMEGA auf Mars Express und CRISM an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter, mit denen die von der Oberfläche reflektierte Strahlung im sichtbaren Licht und nahen Infrarot gemessen wird, wurden die geschichteten Sulfatminerale identifiziert. Mineralogen sprechen von "polyhydrierten Sulfaten", was zum Ausdruck bringt, dass im Kristallgerüst dieser leicht in Wasser löslichen Salze der Schwefelsäure zwei oder mehr Wassermoleküle "eingebaut" sind, wie im Falle des auch auf der Erde häufigen Minerals Gips, dem bekanntesten Kalziumsulfat.
Die Prozesse, die zur Entstehung der Sulfatschichten auf dem Mars führten, sind noch nicht vollständig verstanden und werden intensiv diskutiert. Eine Theorie besagt, dass die Bildung der Sulfate mit dem Ausbruch von eisbedeckten Vulkanen zusammenhängen könnte: Durch die bei Vulkanausbrüchen freigesetzte Hitze wird das Eis getaut und das Wasser kann zur Bildung von Sulfatmineralen führen. Eine andere Vorstellung geht von Sedimentablagerungen in stehenden, an Kalziumsulfat übersättigten Gewässern aus. Ferner wird eine Ausfällung von Sulfaten am Ende von Flussläufen diskutiert, in den Deltas, also dort, wo die mitgeführten Schwebstoffe abgelagert und die im Wasser gelösten Stoffe durch die Verdunstung des Wassers dann Salze bilden. Eine weitere Möglichkeit geht von der Bildung der Sulfate direkt an den Quellen von Gewässern aus.
Etwas exotischer mutet eine weitere Möglichkeit an: Die Sulfatschichten könnten gewissermaßen “vom Himmel gefallen” sein. Dafür müssten feinste Staub- und Aschepartikel aus der Atmosphäre auf den Marsboden gerieselt und dort mit Eis in Berührung gekommen sein - oder kleinste Eiskristalle hätten zusammen mit dem Staub einen solchen Niederschlag bilden müssen. Ein ähnliches Phänomen kann an den beiden Polen des Mars beobachtet werden, wo im Wechsel der Jahreszeiten Schichten abgelagert werden, die denen in Juventae Chasma ähneln. Allerdings sind die geschichteten Berge der Sulfatberge sehr viel älter als die in jüngerer geologischer Vergangenheit entstandenen Schichten an Nord- und Südpol, nämlich etwa drei Milliarden Jahre.
Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment der Mars Express-Mission
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 4. November 2013 während Orbit 12.508 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt bei etwa 4 Grad südlicher Breite und 298 Grad östlicher Länge.
Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 40 Co-Investigatoren, die aus 33 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die hier gezeigten Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin erstellt.
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Blick in den Talkessel Juventae Chasma
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Topographische Bildkarte von Juventae Chasma
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Schrägansicht von "Hügel C" in Juventae Chasma
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Quelle: DLR
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