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Astronomie - Am Niederrhein und im Saarland schlugen einst Meteoriten ein. Deutsche Forscher haben jetzt alle Hinweise zusammengetragen und die genauen Einschlagstellen identifiziert.

20.04.2018

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Während unser direkter Nachbar im All, der Mond, mit Abertausenden von Einschlagkratern übersät ist, gibt es auf der Erde mit ihrer dreizehnmal so großen Oberfläche lediglich knapp 200 solcher Krater. Obwohl beide Himmelskörper in der Frühzeit des Sonnensystems dem gleichen Bombardement von Meteoriten und Asteroiden ausgesetzt waren, sind Einschlagspuren auf der Erde recht selten zu finden.

Ein großer Teil der extraterrestrischen Boliden landete nämlich in den Ozeanen. Auf den Kontinenten haben Gebirgsbildung, Erosion und Verwitterung in den meisten Fällen die Spuren der Einschläge völlig verwischt. In Deutschland gibt es immerhin noch zwei deutlich sichtbare Impaktkrater, nämlich das 24 Kilometer große Nördlinger Ries und das benachbarte, wesentliche kleinere Steinheimer Becken im Landkreis Heidenheim. Nun haben zwei deutsche Forschergruppen Hinweise auf zwei weitere mögliche Einschlagstellen in Deutschland identifiziert. Die eine liegt am Niederrhein und die andere im Saarland. Ihre Befunde haben die Forscher kürzlich auf einer Tagung über Planetenwissenschaften in Houston vorgestellt.

Auffällige Gesteinsbrocken am Niederrhein

Eine Forschergruppe um den Biologen Georg Waldmann vom „Haus der Natur“ in Dormagenhat im Laufe der vergangenen Jahre an etwa 40 verschiedenen Stellen in der Nähe der Ortschaft Korschenbroich nordöstlich von Mönchengladbach Gesteinsbrocken gefunden, die nicht in die geologische Struktur der Niederrheinischen Bucht passen.

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Niederrhein-Impakt: Digitales Geländemodell DGM 1; von flachen runden Senken perforiertes Gelände: vermutete Reste von eingeschlagenen Projektilen (Meteoriten) des Impaktes. Die Depressionen mit leichtem Ringwall sind nur wenige Meter tief. Wenig Sinn gibt die herkömmliche Erklärung von Lehmgruben.

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Gesägtes Basaltgestein mit rundum blasiger Schmelzkruste. Die silbrig-weißen Einschlüsse bestehen aus nativem (elementarem) Eisen. Das Stück ist ein typischer Vertreter der als extraterrestrisch angesehenen Basaltmeteorite im Fundgebiet am Niederrhein. Maßstab: Stecknadel.

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Ein metallisches Kügelchen aus dem basaltischen Material unter dem Elektronenmikroskop:. Der überwiegende Teil  besteht aus Eisen, Nickel und Schwefel sowie aus Spuren von Kohlenstoff. In Eisenmeteoriten kennt man außer dem Nickel-Eisen den Schwefel aus dem Mineral Troilit (Eisensulfid, FeS) und den Kohlenstoff aus dem Mineral Cohenit (Eisencarbid, Fe3C).

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Niederrhein-Impakt. Anschnitt eines stark geschockten Sandsteingerölls mit basaltischer Schmelzkruste.

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Niederrhein-Impakt: Angeschmolzener, blasiger Basalt mit Sphärulen aus nativem, meteoritischem Eisen. Bildbreite 4 cm.

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Dieser vermutlich meteoritische Brocken wurde jüngst am 10. April 2018 als Oberflächenfund im Rhein-Kreis Neuss, NRW, geborgen. Gewicht 26 kg, Maße ca. 45 cm x 30 cm; Dichte 4,72 g/cm3; stark magnetisch. Es dürfte sich wieder um ein basaltisches Objekt (das bisher größte) mit reichlich Einschlüssen von nativem Eisen handeln (Dichte Basalt um 3 g/cm3, Dichte meteoritisches Nickel-Eisen 7-8 g/cm3). Da das Objekt bisher einmalig ist, wollen wir vorläufig nichts für eine Analyse abtrennen. Interessant noch eine partiell erhaltene regmaglyptische Oberflächenskulptur, die typisch für Meteorite ist, die durch Reibungsschmelze beim Flug durch die Atmosphäre entsteht.

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Nalbach-Krater mit Ringwall. Durchmesser (Wallkrone) 200 m, Tiefe etwa 20 m. Digitales Geländemodell DGM 1.

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Saarlouis-Halbkrater mit Ringwall. Durchmesser 2,3 km.  Digitales Geländemodell DGM 1, schattiertes Geländerelief;

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Nalbach-Fund: Impakt-Gläser.

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Nalbach-Fund: Blaues Impakt-Glas mit blasigen geschockten Gesteinsfragmenten. Bildbreite 2,5 cm.

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Saarland-Impakt. Unter dem Elektronenmikroskop werden die tzypisches chondritisches Gefüge eines Steinmeteoriten sichtbar.

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Es handelt sich um Basalte, die von Schmelzgesteinen umgeben waren. Viele der gefundenen Brocken enthielten außerdem sphärische Einschlüsse von Eisen und Glas sowie von Brekzien, eckige Gesteinstrümmer, die in einer Matrix aus feinkörnigem Material einzementiert sind. Derartige Gesteine entstehen häufig bei jenen hohen Temperaturen und Drücken, die bei einem Meteoriteneinschlag auftreten.

Waldmann und seine Kollegen vermuten, dass vor etwa zwei Millionen Jahren über dem Niederrhein ein großer Meteorit niederging. Dieser zerbrach jedoch in zahlreiche Fragmente, bevor er den Erdboden erreichen konnte. Aus diesem Grund hat es keinen einzelnen großen Einschlagkrater gegeben. Die Meteoritenbruchstücke erzeugten vielmehr zahlreiche kleinere Impaktstrukturen. Diese sind auch heute noch als kreisrunde Vertiefungen mit Durchmessern von bis zu 200 Metern auf detaillierten Reliefkarten der Gegend gut zu erkennen.

Einschlagskrater im Saarland identifiziert

Ähnlich außergewöhnlich aufgebaute Gesteine fanden die Forscher um Kord Ernstson von der Universität Würzburg im Saarland unweit von Saarlouis. Unter anderem entdeckten sie bei archäologischen Ausgrabungen in der Nähe der Ortschaft Nalbach die für Meteoriteneinschläge typischen suevitischen Brekzien. Im Gegensatz zu der Situation am Niederrhein konnten Ernstson und seine Kollegen auch die Reste von zwei Kratern nachweisen. In Nalbach selbst gibt es einen zum Teil erodierten Kraterrand, der ursprünglich vermutlich einen Durchmesser von etwa 200 Metern besessen hat.

Westlich von Saarlouis ist außerdem eine halbrunde Struktur erhalten, die die Forscher als Teil eines Kraterrandes deuten. Der noch sichtbare Teil des Kraterrandes zeigt einen recht steilen Abfall um etwa 50 Meter und hatte ursprünglich einen Durchmesser von 2300 Metern. Auch dort wurden Brekzien-Gesteine gefunden, die für den Einschlag von Meteoriten typisch sind.

Quelle: Frankfurter Allgemeine

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Update: 24.04.2018

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Korschenbroich

Wie der Meteorit ins Pferdsbruch kam
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Dieser Meteorit wurde in der Erde im Pferdsbruch gefunden. Seine Form nahm das eisenhaltige Gestein beim Eintritt in die Atmosphäre an.
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Korschenbroich. Georg Waldmann hat in Korschenbroich und am südlichen Niederrhein 600.000 Jahre alte Meteoriten entdeckt. Der Geologe und Biologe vermutet, dass die niederrheinischen Schlösser in die Einschlagskrater gebaut wurden.

Die Geschichte ist damals von keinem aufgeschrieben worden. Aber dennoch lohnt es sich, sie zu erzählen. Es ist eine alte Geschichte, eine sehr alte. Sie beginnt an einem Tag vor 600.000 Jahren, als es den heutigen Menschen noch gar nicht gab. So hätte nur Homo erectus, der Vorläufer des Neandertalers und des Homo sapiens, das Geschehen erleben können, das sich über dem südlichen linken Niederrhein ereignete. Ein Meteorit kam mit gewaltigem Getöse herangebraust und streute seine Splitter über das Land. "Es kam wohl von einem Meteor, der aus losem Gestein eine lockere Verbindung eingegangen war", sagt Georg Waldmann. Der Biologe und Geologe hat die Spuren eines Einschlags in der Landschaft rund um seine Heimat Korschenbroich entdeckt. Dabei handelt es sich um Basaltgestein, das natives Eisen enthält. "Das kommt so auf der Erde gar nicht vor." Zudem haben die Steine, die Georg Waldmann gefunden hat, eine scharfkantige Oberfläche mit Einkerbungen und Zerklüftungen.

Ein Stein, der eine lange Geschichte auf der Erde hat, wird entweder in Flüssen oder Bächen glatt geschliffen. Oder er wird in einem Eiskörper mitgeschoben und glattgehobelt. Solche glatten Basaltsteine finden sich auch rund um Korschenbroich. Sie sind auf jeden Fall mit Wasser in Berührung gekommen. Ob es Eis war, ist für Georg Waldmann bislang noch eine offene Frage. Eine der Eiszeiten, und zwar jene, die vor etwa 650.000 Jahren endete, kam nach heutigen Erkenntnissen sogar bis nach Korschenbroich. Daher sind die später eingeschlagenen Meteoriten auch nicht glatt gehobelt.

Eine Besonderheit in der Stadt ist der Liedberg mit seinem Sandgestein und Quarzit. Es war das Meer, das vor etwa 37 Millionen Jahren diesen Sand staute, als es bis nach Köln vordrang. "Der Liedberg wurde in der vor 650.000 Jahren beendeten Eiszeit vom Inlandeis freigehobelt," vermutet Waldmann.

Der Geologe hat die Gesteine in seiner Umgebung seit Jahren genau beobachtet. Inzwischen hat er mehr als 10.000 Stücke in Kisten gesammelt, um zu dokumentieren, welche Gesteine am südlichen Niederrhein gefunden werden können. Darunter sind auch die ungewöhnlichen Relikte aus dem Weltraum. Der Geologe informierte Kollegen von seinen Funden, so dass die Dokumentation ein Gemeinschaftswerk wurde. Außer Georg Waldmann sind das Friedel Herten, Michael Hiltl und Kord Ernstson, Professor für Impaktforschung, also das Aufspüren von Meteoriten oder anderen Objekten aus dem Weltall. Auf einer Wissenschaftskonferenz im amerikanischen Houston wurden die Funde Waldmanns vorgestellt. Denn es sind ungewöhnliche Entdeckungen. Die Forschung steht noch ganz am Anfang. Für Georg Waldmann sind etwa die vielen Wasserschlösser in der Region durchaus Hinweise auf Einschlagsergebnisse. "Die meisten Schlösser liegen erhöht auf einer Kuppe, von Wasser umgeben. Aus größerer Entfernung gesehen, sind das runde Löcher, die Kuppen könnten bei einem Meteoriteneinschlag entstanden sein."

"Wo das Gestein genau herkommt, können wir noch nicht sagen", meint Waldmann. Die meisten bisher auf der Erde gefundenen Meteoriten sind Bruchstücke aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Aber ihren Ursprung könnten die von Waldmann gefundenen Objekte auch auf Mond oder Mars haben. Wenn nämlich dort ein Gestein aufprallt, entstehen Splitter, die zuweilen von der Erde aufgefangen werden. Die meisten Meteoriten verglühen aufgrund ihrer Größe in der Atmosphäre, manche kommen durch und landen zumeist im Meer. Jedes Jahr werden - allerdings nur wenige - Einschläge auf der Erde wahrgenommen. Großen Schaden richtet ein Meteorit nur selten an. Deshalb muss auch niemand die Angst des Häuptlings Majestix aus den Asterix-Comics haben, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte.

Quelle: NGZ
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