21.11.2018
Der mehr als 15 Tonnen schwere Meteorit Mesón de Fierro ist seit langem unauffindbar. Eine Spur führt nach Wien
Für die Qom handelte es sich bei den Eisenmassen um Schweißtropfen der Sonne. Das Gebiet werde Pingüen Nunralta genannt, erklärten die Ureinwohner des Chaco den Konquistadoren – Campo del Cielo, das "Feld des Himmels". Es sei der Ort, an dem sich die Erde und die Sonne begegneten. Aus den Schweißtropfen würden die Stämme der Bäume wachsen. Offenbar hatten ihre Vorfahren den Fall des Eisenmeteoriten vor etwa 4.200 bis 4.700 Jahren beobachtet. Es muss ein gewaltiges Schauspiel gewesen sein, als dieser im Grenzgebiet der heutigen argentinischen Provinzen Chaco und Santiago del Estero rund 1.000 Kilometer nordwestlich von Buenos Aires in der Atmosphäre explodierte und im Boden einschlug: Mehr als hundert Tonnen seiner Überreste wurden bisher gefunden, die ursprüngliche Masse soll 840 Tonnen betragen haben. Die mehr als zwei Dutzend Krater haben zum Teil einen Durchmesser von mehr als hundert Metern.
Die Spanier wollten die Quelle des Eisens finden, welches die Völker des Chaco für Werkzeuge und Waffen nutzten. Im Jahr 1576 führte der Vizegouverneur Hernán Mejía de Mirabal eine Expedition in das Himmelsfeld. Er berichtete dem Archivo General de Indias in Sevilla von einem großen Objekt aus Eisen und anderen Metallen, das wie Silber glänzte. Der Bericht geriet in Vergessenheit, doch die Erzählung von einer Silbermine hielt sich beharrlich.
Eiserne Riesen
Erst zwei Jahrhunderte später, im Jahr 1774, fand eine weitere Expedition unter Bartolomé Francisco de Maguna die Eisenmasse wieder. Maguna glaubte, das Ende einer Erzader vor sich zu haben, und nannte das Stück, das er auf mehr als 22 Tonnen schätzte, Mesón de Fierro, "Tisch aus Eisen". In den nächsten Jahren erhielt der 3,89 mal 1,85 mal 1,36 Meter große Metallblock weiteren Besuch, bis im Jahr 1783 Miguel Rubín de Celis mit Sprengungen die Unterseite freilegen ließ und damit den Nachweis erbrachte, dass es sich nicht um eine Ader handelte. Dass der Mesón de Fierro sich an Ort und Stelle gebildet haben könnte, schloss Celis ebenso aus wie einen Transport durch die Ureinwohner. Nachdem es für ihn unvorstellbar war, dass der Brocken vom Himmel gefallen sein könnte, vermutete er einen Vulkanausbruch als Ursprung. Im Glauben, die von ihm auf 15 Tonnen geschätzte Masse sei wertlos, ließ er diese zurück. Celis' Expedition war die letzte, die den Mesón de Fierro sichtete.
Zwar wurden seither viele weitere Teile des Meteoriten vom Campo del Cielo gefunden, darunter auch so spektakuläre Stücke wie El Chaco und Gancedo, die mit 28,8 und 30,8 Tonnen die Plätze drei und vier in der Rangliste der größten Meteoriten der Welt belegen. Größer sind nur der grönländische Ahnighito mit rund 30,9 Tonnen und der 60 Tonnen schwere Hoba in Namibia. Doch vom Eisentisch fehlt seither jede Spur.
Wie kann ein mindestens 15 Tonnen schwerer Meteorit einfach verschwinden? Der Mesón de Fierro ist jedenfalls nicht das einzige verschollene Stück des Campo del Cielo. 1998 verschwand der mehr als zehn Tonnen schwere Tañigó II. Und der als "Meteorite Man" bekannt gewordene US-amerikanische Sammler Robert Haag wurde 1990 wegen des Vorwurfs verhaftet, er wolle El Chaco stehlen.
Spurensuche
Zu den vielen Abenteurern, die sich auf die Suche nach dem Verbleib des Mesón de Fierro gemacht haben, gehört auch das argentinische Künstlerduo Faivovich & Goldberg. Seit zwölf Jahren beschäftigen sich Guillermo Faivovich und Nicolás Goldberg mit der kulturellen Dimension der Meteoriten vom Campo del Cielo. Sie dokumentieren die außerirdischen Eindringlinge mit historischen Fotografien ebenso wie mit Dünnschliffaufnahmen und präsentieren die Massen als Installationen. Nachdem die Suche am ursprünglichen Fundort ergebnislos geblieben war, begaben sich die beiden auf eine historische Spurensuche – schließlich hatten die Spanier bei ihren Expeditionen auch mehrere Proben genommen und nach Europa geschickt. 2017 wandten sich die Künstler auch an das Naturhistorische Museum in Wien.
Hier wird die älteste Meteoritensammlung der Welt verwahrt, darunter auch 19 Stücke vom Campo del Cielo. Ein Exemplar erregte die besondere Aufmerksamkeit Faivovichs und Goldbergs. Das lediglich 19 Gramm schwere Fragment mit der Nummer A-18 kam bereits im Jahr 1807 aus Madrid über den Forschungsreisenden Leopold von Fichtel in die Wiener Sammlung. 1843 beschrieb der damalige Sammlungskustos Paul Partsch in seinem Verzeichnis "Die Meteoriten oder vom Himmel gefallenen Steine und Eisenmassen im k. k. Hof-Mineralienkabinet zu Wien" das Exemplar so: "Kleines Stück, mit in Folge der Abmeisselung gekrümmten Blättern, mit einer kleinen geätzten und einer noch kleineren blau angelaufenen Fläche, die jedoch wegen Verquetschung des Eisens nichts Lehrreiches darbiethen."
Ist dieses übel zugerichtete Fragment mit dem Etikett "Tucuman" tatsächlich ein Zeuge des Mesón de Fierro? Im Rahmen einer kleinen Sonderausstellung wird "A-18" jedenfalls nicht nur als wissenschaftliches und historisches Objekt präsentiert, sondern auch als künstlerische Installation inszeniert.
"Faivovich & Goldberg: Auf der Suche nach Mesón de Fierro". Bis 11. März 2019 im Naturhistorischen Museum Wien.
Quelle: DER STANDARD
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LInk: http://www.cielosur.com/meson-fierro.php