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Astronomie - SPHERE enthüllt faszinierende Vielfalt von Scheiben um junge Sterne

15.04.2018

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Neue Bilder des SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der ESO zeigen in nie gekannter Detailgenauigkeit die Staubscheiben, die junge Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft umgeben. Diese Scheiben weisen eine erstaunliche Vielfalt an Formen, Größen und Strukturen auf. Einige ihrer Eigenschaften dürften das Werk von Planeten sein, die in diesen Scheiben entstehen.

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Neue Bilder des SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der ESO zeigen in nie gekannter Detailgenauigkeit die Staubscheiben, die junge Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft umgeben. Diese Scheiben weisen eine erstaunliche Vielfalt an Formen, Größen und Strukturen auf. Einige ihrer Eigenschaften dürften das Werk von Planeten sein, die in diesen Scheiben entstehen.

Das SPHERE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile ermöglicht es Astronomen, das helle Licht nahegelegener Sterne zu unterdrücken, um so eine bessere Sicht auf die sie umgebenden Regionen zu erhalten. Diese Sammlung neuer SPHERE-Bilder ist nur ein Beispiel für die große Vielfalt an Staubscheiben, die in der Umgebung junger Sterne zu finden sind.

Die Staubscheiben weisen sowohl in ihren Größen als auch in ihren Formen beachtliche Unterschiede auf. Einige zeigen hellere Ringe, andere dunkle Ringe, und bei wieder anderen sind mehrere Strukturen übereinander gestapelt wie die Schichten eines Hamburgers. Auch die Ausrichtung am Himmel beeinflusst das Aussehen einer solchen Scheibe – von kreisrunden Scheiben, die wir direkt von oben sehen, bis zu schmalen Gebilden, wenn wir eine Scheibe so gut wie von der Seite sehen.

Die Hauptaufgabe von SPHERE besteht darin, mithilfe direkter astronomischer Aufnahmen größere Exoplaneten um Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft zu entdecken und zu untersuchen. Aber das Instrument ist auch eines der besten Werkzeuge, um Bilder von den Scheiben um junge Sterne zu erhalten – also von denjenigen Regionen, in denen Planeten entstehen können. Entsprechende Untersuchungen können Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften solcher Scheiben und der Planetenentstehung aufzeigen.

Viele der hier gezeigten jungen Sterne stammen aus einer neuen Studie von T Tauri-Sternen, einer Klasse von Sternen mit variabler Helligkeit, die sehr jung sind (weniger als 10 Millionen Jahre alt). Die Scheiben um diese Sterne herum enthalten Gas, Staub und Planetesimale – Planetenbausteine, aus denen mit der Zeit Planetensysteme entstehen können. Die Bilder zeigen uns entsprechend auch, wie unser eigenes Sonnensystem in der Anfangsphase seiner Entstehung vor mehr als vier Milliarden Jahren ausgesehen haben mag.

Die meisten der vorgestellten Bilder wurden im Rahmen der DARTTS-S -Durchmusterung (Discs ARound T Tauri Stars with SPHERE) gewonnen. Die Zielobjekte dieser Durchmusterung sind zwischen 230 und 550 Lichtjahren von der Erde entfernt. Zum Vergleich: Die Milchstraße hat einen Durchmesser von rund 100.000 Lichtjahren; die untersuchten Sterne gehören also in der Tat zu unserer kosmischen Nachbarschaft. Doch selbst aus so vergleichsweise geringer Entfernung i st es alles andere als einfach, gute Bilder des schwachen reflektierten Lichts der Scheiben zu erhalten. Diese Objekte werden durch das gleißend helle Licht ihrer Sterne schlicht überstrahlt.

Und noch eine weitere interessante Beobachtung ist mit SPHERE gelungen: die Entdeckung einer Scheibe um den Stern GSC 07396-00759, die wir genau von der Seite sehen. Der betreffende Stern ist Teil eines Doppelsternsystems, das ebenfalls im Rahmen der DARTTS-S-Durchmusterung erfasst wurde. Seltsamerweise scheint sich diese neue Scheibe in einem späteren Entwicklungsstadium zu befinden als die gasreiche Scheibe um den T Tauri-Stern im gleichen System, obwohl beide Scheiben das gleiche Alter haben sollten. Dieser rätselhafte Unterschied in den evolutionären Zeitskalen von Scheiben um zwei gleichaltrige Sterne ist ein weiterer Grund, warum Astronomen mehr über Scheiben und ihre Eigenschaften erfahren wollen.

Astronomen haben SPHERE außerdem bereits verwendet, um zahlreiche andere beeindruckende Bilder zu erhalten sowie um die Interaktion eines Planeten mit einer Scheibe, Bahnbewegungen sowie die zeitliche Entwicklung solcher Scheiben zu untersuchen.

Gemeinsam mit Daten von anderen Teleskopen wie ALMA revolutionieren die neuen SPHERE-Ergebnisse das Verständnis der Astronomen für die Umgebung junger Sterne und die komplexen Mechanismen der Planetenentstehung.

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SPHERE-Bild der von der Seite gesehenen Staubscheibe des Sterns GSC 07396-00759

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SPHERE-Bild der von der Seite gesehenen Staubscheibe des Sterns GSC 07396-00759. Der Stern ist Teil eines Doppelsternsystems, das ebenfalls im Rahmen der DARTTS-S-Durchmusterung erfasst wurde. Seltsamerweise scheint sich diese neue Scheibe in einem späteren Entwicklungsstadium zu befinden als die gasreiche Scheibe um den T Tauri-Stern im gleichen System, obwohl beide Scheiben das gleiche Alter haben sollten.

Weitere Informationen

Die hier gezeigten Bilder von T-Tauri-Stern-Scheiben wurden in einem Artikel mit dem Titel "Disks Around T Tauri Stars With SPHERE (DARTTS-S) I: SPHERE / IRDIS Polarimetric Imaging of 8 Prominent T Tauri Disks" von H. Avenhaus et al. vorgestellt, der im Astrophysical Journal erscheint. Die Entdeckung der von der Seite gesehenen Scheibe wird in dem Artikel mit dem Titel "A new disk discovered with VLT/SPHERE around the M star GSC 07396-00759" von E. Sissa et al. beschrieben, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint.

Die Autoren des erstgenannten Artikels sind Henning Avenhaus (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland; ETH Zürich, Institut für Teilchenphysik und Astrophysik, Zürich, Schweiz; Universidad de Chile, Santiago, Chile), Sascha P. Quanz (ETH Zürich, Institut für Teilchenphysik und Astrophysik, Zürich, Schweiz; National Center of Competence in Research "PlanetS"), Antonio Garufi (Universidad Autonónoma de Madrid, Madrid, Spanien), Sebastian Perez (Universidad de Chile, Santiago, Chile); Millennium Nucleus Protoplanetary Disks Santiago, Chile), Simon Casassus (Universidad de Chile, Santiago, Chile; Millennium Nucleus Protoplanetary Disks Santiago, Chile), Christophe Pinte (Monash University, Clayton, Australien; Univ. Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), Gesa H.-M. Bertrang (Universidad de Chile, Santiago, Chile), Claudio Caceres (Universidad Andrés Bello, Santiago, Chile), Myriam Benisty (Unidad Mixta Internacional Franco-Chilena de Astronomía, CNRS/INSU; Universidad de Chile, Santiago, Chile; Univ. Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich) und Carsten Dominik (Anton Pannekoek Institut für Astronomie, Universität Amsterdam, Niederlande).

Die Autoren des zweiten Artikels sind E. Sissa (INAF-Osservatorio Astronomico di Padova, Italien), J. Olofsson (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland; Universidad de Valparaíso, Chile), A. Vigan (Aix-Marseille Université, CNRS, Laboratoire d'Astrophysique de Marseille, Frankreich), J.C. Augereau (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), V. D'Orazi (INAF-Osservatorio Astronomico di Padova, Italien), S. Desidera (INAF-O, Padua, Italien), R. Gratton (INAF-Observatorio Astronomico di Padova, Italien), M. Langlois (Aix-Marseille Université, CNRS, Laboratoire d'Astrophysique de Marseille, Frankreich; CRAL, CNRS, Université de Lyon, Ecole Normale Suprieure de Lyon, Frankreich), E. Rigliaco (INAF-Osservatorio Astronomico di Padova, Italien), A. Boccaletti (LESIA, Observatoire de Paris-Meudon, CNRS, Université Pierre et Marie Curie, Université Paris Diderot, Meudon, Frankreich), Q. Kral (LESIA, Observatoire de Paris-Meudon, CNRS, Université Pierre et Marie Curie, Université Paris Diderot, Meudon, Frankreich; Institut für Astronomie, Universität Cambridge, UK), C. Lazzoni (INAF-Observatorio Astronomico di Padova, Italien; Universitá di Padova, Italien) Mesa (INAF-Observatorio Astronomico di Padova, Italien; Universität der Atacama, Copiapo, Chile), S. Messina (INAF-Observatorio Astrofisico di Catania, Italien), E. Sezestre (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), P. Thébault (LESIA, Observatoire de Paris-Meudon, CNRS, Université Pierre et Marie Curie, Université Paris Diderot, Meudon, Frankreich), A. Zurlo (Universidad Diego Portales, Santiago, Chile; Unidad Mixta Internacional Franco-Chilena de Astronomia, CNRS/INSU; Universidad de Chile, Santiago, Chile; INAF-Osservatorio Astronomico di Padova, Italien), T. Bhowmik (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), M. Bonnefoy (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), G. Chauvin (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich; Universidad Diego Portales, Santiago, Chile), M. Feldt (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), J. Hagelberg (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), A. -M. Lagrange (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), M. Janson (Universität Stockholm, Schweden; Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), A.-L. Maire (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), F. Ménard (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), J. Schlieder (NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt, Maryland, USA; Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), T. Schmidt (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), J. Szulági (Institut für Teilchenphysik und Astrophysik, ETH Zürich, Schweiz; Institut für Informatik, Universität Zürich, Schweiz), E. Stadler (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), D. Maurel (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), A. Deboulbé (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), P. Feautrier (Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich), J. Ramos (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland) und R. Rigal (Anton-Pannekoek-Institut für Astronomie, Amsterdam, Niederlande).

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 15 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

Quelle: ESO

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